Gründung der Meler Galgevögel

Bis im Jahre 1963 gab es in Möhlin und Ryburg nur eine Fasnachtszunft Ryburg mit dem historischen 11er Rat und dem Bürkligeist. Das fasnächtliche Treiben mit Morgenstreich und dem Umzug, war Sache der Ryburgerzunft, sie war sehr stolz darauf.

In den 60er Jahren schlossen sich einige Möhliner der Ryburgerzunft an, sie beteiligten sich an der Guggenmusik sowie am Wagenbau. So war es auch an der Fasnacht 1963 als den Möhliner ein Wagen zugeteilt wurde. Das Sujet zwei führende Köpfe der Gemeinde Möhlin in den Personen Metzger Franz (Gemeindeammann) und Viceammann Schib Paul zu bearbeiten. Unter der Regie von Müller Jakob wurde ein sehr schöner Wagen erstellt, wie beiliegendes Foto beweist (Foto, siehe unten). Der Meler Wagen fand grosses Interesse bei der Möhliner Bevölkerung sowie auch bei der Presse. Es war an der Zeit, neue Ideen und Wege zu schaffen, damit die Fasnachtsumzüge lebhafter und farbiger wurden. Mit Tannen, Sträuchern und bärtigen Gestalten aus der Urzeit, musste man endlich aufhören.

Aber der Neid von gewissen Ryburger Zunftmitgliedern, unter anderen der Zunftmeister selbst, liess nichts Gutes ahnen. So war es auch nicht anders zu erwarten, dass an der Abrechnung – Versammlung im Oktober 1963 im Hotel Schiff, völlig falsche und unwahre Angaben gemacht wurden. In der Abrechnung waren Rechnungsbeträge, die geschenkt worden waren, in den Ausgaben verbucht, ohne Vermerk „geschenkt“. Die entsprach unter keinen Umständen der Wahrheit. Leider waren von den Meler Zunftmitglieder niemand anwesend, welche die Unwahrheit widerlegen und die Angaben richtig stellen konnte.

Auf Antrag eines Ryburger Zunftmitgliedes wurden daher von der Zunft ausgeschlossen: Jakob Müller, Ernst Vasellari, Willi Tschudi und Werner Germain, welcher als Elferratsmitglied den Meler zur Überwachung des Wagenbaus zugeteilt worden war. Der Ausschluss aus der Zunft wurden ihnen schriftlich mitgeteilt.

Laut Vereinsrecht war der Ausschluss, infolge Unwahrheit und weil er nicht auf der Traktandenliste stand, rechtswidrig. Jedes Mitglied hat das Recht, im Voraus zu wissen, was für Traktanden behandelt werden, speziell bei Ausschlüssen. Dem Zunftmeister wurde in einem Schreiben mitgeteilt, dass die Ausschlüsse laut Vereinsrecht rechtswidrig seien und nicht anerkannt werden könnten, und gleichzeitig wurde er auf den Rechtsweg verwiesen. Die Versammlung musste wiederholt werden, um den ausgeschlossenen Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, die Anschuldigungen zu widerlegen und sich zu rechtfertigen.

An der anschliessenden 11er Ratssitzung im Restaurant Warteck, die der Zunftmeister einberufen hatte, wurde den Ausgeschlossenen die Möglichkeiten geboten, sich zu rechtfertigen, was auch in aller Deutlichkeit geschah.

Anschluss dieser Sitzung wurde Freitag, den 13. Dezember 1963 eine Ausserordentliche Generalversammlung einberufen, unter anderem mit dem Traktandum 3 „Mutationen und Behandlung von Ausschlüssen“ der ordentlichen GV, wozu ebenfalls die Ausgeschlossenen eingeladen worden sind. Aufgrund der Aussprache anlässlich der 11er Ratssitzung wurde ihnen mitgeteilt, dass die Ausschlüsse zurückgezogen würden, wobei jeder die Möglichkeit hatte sich zu äussern und dazu Stellung zu nehmen.

Ernst Vasellari, Willi Tschudi und Werner Germain verzichten auf eine weitere Mitgliedschaft und verliessen die Versammlung vorzeitig. Jakob Müller und Franz Tschudi blieben ohne Entschluss bis zur nächsten Versammlung, anlässlich derer es wiederum zu Meinungsverschiedenheiten kam. Im Anschluss an diese Versammlung meldeten auch sie sich von der Ryburgerzunft ab.

Da sich noch weitere Meler von der Ryburgerzunft abmeldeten, unter anderem:

Josef Böni, Traugott Vogt und Paul Ackli, war alles klar, um mit einem eigenen Wagen und Sujet auf die Strasse zu gehen. Bei einer Zusammenkunft in der alten Scheune bei Emil Spaar, der persönlich dabei war, wurde beschlossen, der Ryburgerzunft entgegenzuwirken mit dem Sujet „Piratenschiff“ mit dem Galgen sowie auch mit einer Gruppe „Guggern“. Für das Finanzielle wurde der „Galgenstrick“ geschaffen. Für 1 Franken fand er reichlichen Absatz. Am Fasnachtssonntag, als die Ryburgerzunft das Ryburger Tor verlassen hatten, zog das Piratenschiff in Ryburg ein. Im Hotel Schiff und im Restaurant Ryburg wurde eine Proklamation verlesen, anschliessend ging es Richtung Oberdorf. Das Piratenschiff mit Galgen und Guggern fand grossen Beifall. Als Anerkennung gingen verschiedene Geldspenden ein. Es war allen Beteiligten klar, der Grundstein für eine neue Zunft war gelegt, die Gründungsvorbereitungen konnten beginnen. Bei verschiedenen Zusammenkünften wurden die notwendigen Schritte für die bevorstehende Gründung ausgearbeitet, so auch wie das „Kind“ heissen solle. Die Statuten mussten geschaffen werden, und vieles dazu. Die Gründungsversammlung wurde auf den 2.Mai 1964 einberufen, im Hotel Adler.

Als Tagespräsident wurde vorgeschlagen und gewählt Jakob Müller. Anwesend waren 18 Interessenten der Tagespräsident gab die Traktanden bekannt, ebenfalls die nötigen Erklärungen zu Name und Zweck der Gründung. Um 21.45 Uhr wurde über die Gründung der „MELER GALGEVÖGEL MGV“ abgestimmt, was mit Einstimmigkeit erfolgte.

Wahlen: Der Vorstand wurde gewählt 

Präsident: Jakob Müller
Vizepräsident: Werner Germain
Kassier: Josef Böni
Protokoll: Traugott Vogt
Materialverwalter: Willi Tschudi
Wagenbau: Franz Tschudi
Beisitzer: Ernst Vasellari 

Somit war die Gründung vollzogen, sicher zum Wohle der Bevölkerung, denn seither sind die Fasnachtsumzüge lebhafter, farbiger und vor allem auch grösser.

Die MGV Maskenbälle waren und sind heute noch sehr beliebt und dies wird sicher auch weiterhin so bleiben.

„Zum Schluss möchte ich es nicht unterlassen. Speziell das, dass Gründungsmitglied Jakob Müller zu erwähnen, der uns leider allzu früh infolge Tod verlassen musste. Es war ihm vergönnt, noch viele Jahre bei den MGV mitzuwirken. Seine grosse Arbeit, Erfahrung und die launigen Worte werden für viele MGV Mitglieder unvergesslich bleiben. Wir sind ihm alle für deine Arbeit und die Abfassung der Proklamation zu bestem Dank verpflichtet.“

Der Verfasser Werner Germain (leider ohne Datum)

Originalfassung abgeschrieben von T. Schürch am 07. Oktober 2010